Ein vorweihnachtlicher Kommentar von Thomas Krug

So viel vorweg: Mit „heiliger Thomas“ meine ich natürlich nicht mich selbst. Nur damit später keiner behauptet, der Krug sei wieder total durchgeknallt. Am 21. Dezember ist lediglich mein Namenstag und ich habe mich eingehend mit der historischen Figur meines Namensgebers beschäftigt. Nun möchte ich meine Rechercheergebnisse teilen. Denn nicht nur der heilige Thomas selbst, auch die Traditionen rund um den Thomastag sind äußerst interessant und nebenbei unterhaltsam.

Heiliger Thomas – Schutzpatron der Architekten, Zimmerleute, Steinhauer und Religionsgelehrten

In der Nacht vom 21.12. auf den 22.12. beginnt der astronomische Winter (im Jahr 2018 um 23.23 Uhr für die mitteleuropäische Zone). Am 21. Dezember ist außerdem Wintersonnwende. Es handelt sich also um den dunkelsten Tag des Jahres oder – anders ausgedrückt – um die längste Nacht des Jahres. Und das ist auch der Grund, warum am 21.12. des heiligen Thomas gedacht wird.

Denn der Apostel Thomas war derjenige, der am längsten an der Auferstehung Jesu zweifelte. Er verbrachte also gewissermaßen mehr Zeit im Dunkel als seine Apostelkollegen. Erst nachdem er von Jesus dazu aufgefordert worden war, dessen Wunden mit seinen eigenen Händen zu berühren, glaubte er an dessen Wiederkehr.

Der heilige Thomas war also – man möge mir den Wortwitz verzeihen – ein Zweifler vor dem Herrn. Bis er sie überwand. Aus diesem Grund fungiert er als Schutzpatron für die Religionsgelehrten. Denn er wird gerade dann von Theologen angerufen, wenn der Glaube in Frage gestellt wird.

Bleibt die Frage, warum er außerdem Schutzpatronen der Architekten, Zimmerleute und Steinhauer ist … Herrscht hier eventuell ein Hang zu Selbstzweifeln innerhalb dieser Berufsgruppen vor? Selbstverständlich nicht. Ursprung sind vermutlich die syrischen Thomas-Akten, nach denen er vom indischen König Gundisar an seinen Hof berufen wurde, um einen neuen Palast nach römischer Bauweise errichten zu lassen. Thomas zeichnete den Entwurf und erhielt große Reichtümer für den Palastbau, verteilte diese aber an die Armen. Der erboste König steckte ihn daraufhin in den Kerker, wurde aber später bekehrt und ließ Thomas wieder frei.

Da auch bei modernen Bauvorhaben immer wieder Reichtümer verschwinden, bleibt zumindest den heutigen Bauleuten ein Trost: Sie können in der Stunde ihrer größten Not den heiligen Thomas anrufen.

Traditionen am Thomastag

Ich muss dazusagen, dass sich mir der Zusammenhang zwischen den Traditionen am Thomastag und seiner Funktion als Schutzheiliger nicht ganz erschlossen hat.

Es war der Tag, an dem man – Überlieferungen zufolge – in die Zukunft blicken kann. Vor allem in Liebes- und Ehefragen ist dieser Umstand äußerst praktisch. Wenn etwa unverheiratete Frauen um Mitternacht in den Spiegel schauen, können sie darin das Antlitz ihres Zukünftigen sehen. Gelingt dies nicht, gibt es immer noch Plan B. Wenn sie in dieser Nacht mit den Füßen Richtung Kopfende schlafen, erscheint ihnen ihr zukünftiger Mann im Traum.

Dazu passt auch eine weitere Überlieferung ganz gut: Denn wenn man einen Topf Wasser über Nacht vor die Haustür stellt und sich am nächsten Morgen damit wäscht, wird man angeblich wunderschön.

Am 21. Dezember endet auch die Weihnachtsbäckerei. Frauen, die an diesem Tag noch backen, können mit etwas Teig an den Händen in den Garten gehen und ihre Obstbäume umarmen. Angeblich tragen diese daraufhin mehr Obst im kommenden Jahr.

Was die Tradition angeht, sehe ich wenige Paralleln zu mir selbst. Ich gehe selten mit teiggetränkten Händen in unseren Garten und umarme irgendwelche Bäume. Eher noch schaue ich regelmäßig in den Spiegel und bewundere, wie wunderschön ich bin. Wasser, das über Nacht auf eisige Temperaturen gesunken ist, brauche ich dafür gar nicht ;-)

Doch bei der Person des heiligen Thomas geht es mir anders. Ein Zweifler bin ich auch – im positiven Sinne … Ich mache mir immer erst ein Bild von der Sachlage, bevor ich eine Entscheidung treffe. Als Bauherrenvertreter ist diese gesunde Skepsis für eine fundierte Beratung äußerst wichtig – wenn sie gleichzeitig mit einem gesunden Pragmatismus einhergeht. Das hilft, Bauchaos zu vermeiden und wirkt gegen unkontrollierte Ausgaben. Wenn doch einmal Reichtümer ausgegeben werden, dann rein freiwillig und in Abstimmung mit dem Bauherren. Wenn es den Armen zukommt, dann ist das ja auch eine feine Sache.

Bilder: Conwick