"Schon gewusst ...?" mit Thomas Krug | Conwick

Was bedeutet Pilgerschrittverfahren?

„Schon gewusst …?“ (Vol.23)

Oh ja, von manchem Gebäude geht eine fast religiöse Anziehungskraft aus … Und das Leisten von Abbitte würde einigen Baubeteiligten sicher gut zu Gesicht stehen. Aber mit „Pilgerschrittverfahren“ wird im Bauwesen etwas gänzlich anderes bezeichnet.

Zweimal vor, einmal zurück

Zunächst einmal ist interessant, was überhaupt unter „Pilgerschritt“ verstanden wird. Klar, zum einen die übliche Fortbewegung eines religiösen Wanderers. Doch nicht nur, denn auch eine bestimmte Schrittfolge in der Tanzliteratur wird z.B. so bezeichnet. Dabei werden zwei Schritte nach vorn und einer nach hinten unternommen.

Zwei Schritte vor, einer zurück … Klingelt da was bei Ihnen? Ganz genau. Diese Beschreibung wird gerne auch verwendet, wenn ein Arbeits- oder Alltagsvorgang nicht so richtig flüssig vonstatten gehen will. Tatsächlich wird in diesem ironisch-sarkastischen Zusammenhang oftmals auch von Pilgerschritt gesprochen.

Das Pilgerschrittverfahren kommt in unterschiedlichen Bereichen zur Anwendung

Vor- und Rückwärtsbewegungen stehen jedoch nicht nur für Ablaufstörungen oder rituelle Gangarten. Im Bauwesen werden mit Pilgerschrittverfahren manche technische Abläufe bezeichnet, bei denen ein gewisser Abfolgewechsel ebenfalls eine Rolle spielt.

Bei der Errichtung von Fahrbahnplatten über eine Brücke etwa werden bestimmte Platten ausgelassen und erst im zweiten Durchgang ergänzt. Damit sinkt u.a. die Gefahr von Rissbildungen. Ein anderes Beispiel: Wenn bestimmte Materialien hergestellt bzw. verändert werden, dann kann es von Vorteil sein, sie nacheinander zu erhitzen und wieder abkühlen zu lassen. Bei der Formung von Stahlrohren etwa ist das ein gängiges Vorgehen.

In diesen Fällen und einigen weiteren spricht man von Pilgerschrittverfahren. Es kann also durchaus vorteilhaft sein, den einen Schritt zurückzugehen. Und nicht immer ist zwangsläufig eine Verzögerung damit verbunden. Ganz im Gegenteil: Wie die Beispiele zeigen, kann ein zu schnelles Voranschreiten auch dazu führen, dass man wieder bei null beginnt. Es sind also durchaus auch religiöse Tugenden gefragt, wenn ein Bauvorhaben erfolgreich sein soll. Allen voran Geduld.

In „Schon gewusst…?“ berichten wir in unserem Blog über Aspekte, die uns bei Bauvorhaben immer wieder begegnen und die uns besonders wissenswert, kurios, kreativ oder einfach nur genial erscheinen. Diese Dinge möchten wir hier einem größeren Publikum zugänglich machen.

Titelbild: Sandals (jarmoluk, Pixabay)
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